english version
Stadtverwaltung: 03944 943-0

 

Blankenburg

Die Blütenstadt am Harz!

Foto: Jana Böhme

27.11.2023

Carl Erdmann zum 125. Geburtstag

Mittelalterhistoriker, Gegner des Nationalsozialismus, eine „unbekannte Berühmtheit“: Wie wird uns ein vergessener Blankenburger wieder vertraut?

Von Christoph Georg Rohrbach

Zum 125. Geburtstag Carl Erdmanns (1898–1945) bieten sich viele Gelegenheiten, diesem international bedeutenden Forscher auf die Spur zu kommen. Nicht wenige Orte unserer Region bilden Bezugspunkte zum Leben und auch zur Forschung Erdmanns.

So lässt sich etwa am westlichen Ende der August-Winnig-Straße eine Villa finden, das Haus mit der Nummer 2, in welche die sechsköpfige, jedoch vaterlose Familie Erdmann aus dem fernen Estland zog, um in Blankenburg eine neue Heimat zu finden. Damals war das Haus noch als Sedanstraße 4 gekennzeichnet. Anfangs hatte die deutsch-baltische Familie Schwierigkeiten, in der örtlichen Gesellschaft Fuß zu fassen.

Mit dem Ersten Weltkrieg trafen zwei Schicksalsschläge die Familie. Die beiden älteren Brüder Carl Erdmanns waren an der Westfront. Guido wurde bereits 1914 tödlich verletzt und fand sein Grab auf dem Blankenburger Waldfriedhof, in der Mitte der ersten Reihe der Ehrenanlage. Eberhard kehrte nicht aus dem Krieg zurück. Der Verlust beider Brüder prägte den jungen Carl.

Bis zum Abitur besuchte Carl Erdmann das Gymnasium „Am Thie“, damals noch am oberen Ende der Parkanlage gelegen, in dem Gebäude, welches heute die Sekundarschule „August Bebel“ beherbergt. Der damalige Lehrer und spätere Direktor Ernst Witte wurde ein Freund Erdmanns. Nachdem er sein Studium und seine mehrjährigen Aufenthalte in Portugal und Italien beendet hatte und nach Berlin gezogen war, kam er bei Besuchen in Blankenburg wiederholt bei seinem alten Lehrer Witte in der Rübeländer Straße 7 unter. Erdmann war bei einem Forschungsinstitut beschäftigt und publizierte zahlreiche Aufsätze. Seine 1935 erschienene Schrift „Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens“ machen ihn heute noch international zu einem bedeutenden Mittelalterhistoriker.

Wenn sich der in Berlin arbeitende Erdmann im Harz aufhielt, erkundete er die Umgebung, auch in wissenschaftlicher Hinsicht. So äußerte er sich zur Geschichte der Königspfalz Bodfeld, die heute beim Schlosskopf zwischen Elbingerode und Heimburg lokalisiert wird. Dem Geschichtsbild der Nationalsozialisten trat Erdmann mehrfach trotzig und mutig entgegen. Dazu zählt auch seine Auseinandersetzung mit der Krypta und der angeblichen Auffindung von Gebeinen Heinrichs I. in der Stiftskirche Quedlinburg. Als Querulant wahrgenommen, wurde ihm eine Professur verwehrt, obwohl er als aussichtsreicher Kandidat galt.

Die Geburt im fernen Estland, die Arbeit in Lissabon, Rom und Berlin sowie der frühe Tod im Jahr 1945 als Soldat in Zagreb zählen zu den Gründen, die die Erinnerung an Erdmann in unserer Stadt über Generationen verblassen ließen. Es ist dem Blankenburger Siegfried Panterodt und dem Heidelberger Professor Dr. Folker Reichert zu verdanken, dass Carl Erdmanns Leben in den letzten beiden Jahrzehnten aufgearbeitet wurde. Um unser Gedächtnis aufzufrischen, können wir nun Erdmanns Leben erlesen und in der Region den Spuren wortwörtlich nachgehen. Seit 2011 ist der Wissenschaftspreis des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) nach Carl Erdmann benannt. Ab dem 125. Geburtstag sollten wir an den bedeutenden Blankenburger in Blankenburg erinnern.

Carl Erdmann als Soldat.